Quetsche

Kabinettausstellung Die Quetsche. Verlag für Buchkunst, Witzwort 8. April bis 8. Juni 2024 in der Büchergilde Buchhandlung & Galerie Frankfurt Mo – Fr 10.00 – 19.00 Uhr, Sa 10.00 bis 17.00 Uhr Quetsche, das klingt irgendwie nicht so sehr schön. Vor allem, wenn man nicht weiß, dass der Begriff im Süddeutschen, wo der Verleger und Drucker Reinhard Scheuble herstammt, synonym für Klitsche verwendet wird, eine etwas abfällige Bezeichnung für einen Druckerei-Kleinbetrieb, aber auch für eine Schankwirtschaft. Es begann also mit einer guten Portion Selbstironie, als der Leiter der Druckwerkstatt des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) im Berlin-Kreuzberger Bethanien, Reinhard Scheuble, 1985 zusammen mit Gisela Mott-Dreizler ein eigenes „Label“, wie man das heute bezeichnen würde, begründete.

1946 im badischen Singen unweit des Bodensees geboren, fand Scheuble als Jugendlicher keinen großen Gefallen an der Schule, und als eine Druckerei einen Lehrling suchte, sattelte er kurzentschlossen um. Nach der Ausbildung ging er auf Wanderschaft, lebte in Hamburg, dann in Freiburg, wo er auf der Abendschule Versäumtes nachlernte, tagsüber als Drucker für den Herder-Verlag arbeitete. 1970 zog es ihn magisch in das unruhige Westberlin, wo er von 1980 bis 89 als Werkstattleiter der verbandseigenen Grafikdruckerei des Künstler-Verbands wirkte. Dort lernte er 1984 die Künstlerin Gisela-Mott-Dreizler kennen, die hier ihre Grafiken druckte. Eine folgenreiche Begegnung!

1985 also hoben sie die Quetsche aus der Taufe, und Scheuble führte damit seine beiden Berufssphären – das Drucken von Büchern und von Kunst zusammen. Mott-Dreizler war (auch) die Lektorin des Verlags, sie wählte die Texte aus, aus denen Buchkunstwerke werden sollten. Der erste Druck erschien 1986, eine Geschichte von E.T.A. Hoffmann mit Org.-Radierungen des anarchischen Uli Kasten, der zweite Druck bereits war mit 23 Orig.-Linolschnitten von Gisela Mott-Dreizler ausgestattet, Gogols „Schreckliche Rache“, dem 32 (!) weitere Bücher Mott-Dreuzlers folgen sollten. Der 3. Druck der Presse wurde übrigens schon von Helge Leiberg mit Orig.-Farblithografien illustriert.

Von 1989 bis 1995 leitete Scheuble die Druckwerkstätten der renommierten Frankfurter Kunsthochschule Das Städel, aber was nutzt das ganze Ansehen, wenn die internationale Studierendenschaft einen großen Bogen um die Druckwerkstätten macht? Der weltweit vernetzte Städel-Direktor Kaspar König ermöglichte Kontakte zu erfolgversprechenden Galerien, aber die halten sich preislich nicht in den Regionen von Druckgrafik auf. Scheuble hatte viel Zeit und die „königliche“ Erlaubnis, im Städel seine eigenen Bücher zu drucken, ein Umstand, der der Qualität der Quetsche-Drucke sehr zugutekam.

1995 verabschiedete sich Scheuble aus Frankfurt und widmete sich nun ganz seiner Tätigkeit als Pressendrucker in Witzwort. 2002 gewann er gemeinsam mit Gisela Mott-Dreizler den Theodor-Storm-Preis der Stadt Husum, 1996 den Hebbel-Preis. Die Bücher der Quetsche sind vom Feinsten. Die Gestaltung einer exquisiten kleinen „Grafischen Reihe“ mit Künstlern wie Hans Ticha, Johannes Grützke, Henning Wagenbreth, Karl-Gerg Hirsch und Helge Leiberg legte Scheuble in die Hände des versierten Professors für Buchgestaltung Matthias Gubig.

2017 kam es dann zu einem gemeinsamen Projekt der Quetsche mit der Büchergilde, genauer den Gutenberg Pressendrucken: Bernhard Jäger schuf zusammen mit dem genialen Schriftsetzer Manfred Schulz ein Figurenensemble, das komplett aus Bleisatz-Versatzstücken komponiert war. Wenn man weiß, dass das Bleisatzschiffchen d.h. der Rahmen, in dem eine Textseite aus Bleiletter-Zeilen gesetzt wird, zu 100 % auf rechten Winkeln basiert, wird einem angesichts der schrägen, teilweise tanzenden Figuren und Lettern geradezu schwindelig – Schrägen müssen durch Hunderte kleine Bleiteile fixiert werden, damit sie beim Druck nicht verrutschen. Ein absolut einmaliges Buchkunstwerk, das heute wohl nicht mehr zu realisieren wäre: Schriftsetzer wie der leider verstorbene Manfred Schulz, der 2005 mit der Arbeit an diesem Werk begonnen hatte, sind nicht mehr aktiv.

Gestorben ist leider auch Reinhard Scheuble, im Jahr 2020 an einem Herzinfarkt. Sein mit Gisela Mott-Dreizler zusammen geschaffenes Lebenswerk, die Quetsche, aber ist unsterbliche Kulturgeschichte.

Wolfgang Grätz, 253. Frankfurter Grafikbrief

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Rainer Kirsch/Hans Ticha – Petrarca hat Malven im Garten und beschweigt die Welträtsel

Luxusausgabe des 86. Drucks der Quetsche

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Thomas Lehr/Helge Leiberg – Kreaturen

97. Druck der Quetsche

Nikolai Gogol/Gisela Mott-Dreizler – Schreckliche Rache

2. Druck der Quetsche

Kerstin Hensel/Klaus Süß – Spiele des neuen Jahrhundert

48. Druck der Quetsche

Hans Arp/Bernhard Jäger – Auf einem Bein

55. Druck der Quetsche/Luxusausgabe

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Günter Kunert/Hans-Ruprecht Leiß – Die wunderbaren Frauen

98. Druck der Quetsche

Eduardo Galeano/Gisela Mott-Dreizler – Von den lebens-
lustigen Hexern auf dem Meer des Südens

64. Druck der Quetsche

VERKAUFT!

Wolfgang Hegewald/ Karl-Georg Hirsch – Was uns ähnlich sieht

89. Druck der Quetsche

Gisela Mott-Dreizler – Himmlische Heerscharen

54. Druck der Quetsche

Johann P. Tammen/Lothar Seruset – Sags dem Meer

56. Druck der Quetsche

Theodor Storm/ Gisela Mott-Dreizler – Meeresstrand

68. Druck der Quetsche

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Henning Wagenbreth – Cry For Help

95. Druck der Quetsche

Franzobel/Helge Leiberg – Totentanz

45. Druck der Quetsche

VERKAUFT!

Theodor Fontane/Harald Metzkes – Landpartien

32. Druck der Quetsche

Brüder Grimm/Gisela Mott-Dreizler – Das Dietmarsische Lügenmärchen

42. Druck der Quetsche

Ursula Krechel/Johannes Grützke – Mein Hallo dein Ohr

87. Druck der Quetsche

Hans-Ruprecht Leiß – Die Sintflut

36. Druck der Quetsche

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10 Jahre Quetsche 1985–1995

Vorzugsausgabe

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Bernhard Jäger/Manfred Schulz/Kerstin Hensel – Bleispiele

Achtzehnter Druck

Dirk Kruse/Anja Tchepets – Beichte eines Mörders

mit 27 mehrfarbigen Orig.-Grafiken!

Klaus Süß/Bernhard Jäger/Peter Löding u.a. - 6 deutsche Holzschneider

6 Orig.-Farbholzschnitte auf einem Bogen