Nancy Gaymala Yunupingu (*ca 1935), Sprachgruppe Gumatj, Mitwatji Region. Ihre Radierung erzählt von der Trockenzeit in Arnhem Land, wo es viele Wai’kurra (Nasenbeutler) gibt, die vor dem Buschfeuer auf der Flucht sind. Der Kreis in der Mitte des Bildes repräsentiert das Nest für Mutter und Kind der Wai’kurra.
Die Kunst der Aborigines
Die rasante Vernetzung selbst abgelegenster Gegenden der Welt mit den Metropolen durch Verkehrsmittel, Datenübertragungssysteme und elektronische Medien – Ursache und Beschleuniger der sogenannten Globalisierung – hat ihre Spuren auch in der Kunst hinterlassen. Die „Globalisierung“ in der Kunst bedeutet im jetzigen Stadium, dass in allen Ländern Kunst so produziert wird, dass sie auf den einzigen prosperierenden Kunst-Märkten – das sind die in den USA und Westeuropa – verkauft werden kann. Globalisierung = Marktorientierung = Westkunst. Das normiert.
Australien kann sich glücklich schätzen, eine Kunstrichtung zu beherbergen, die eine eigene, unverwechselbare Tradition besitzt und in den letzten beiden Jahrzehnten für eine spannende Bereicherung der Kunstszene gesorgt hat.
Die Malerei der Aborigines ist eine junge Kunst. Um 1970, als die Aborigines nach 200-jährigem Kampf größere politische Freiräume errungen hatten, begann eine breite Malbewegung mit verblüffender Dynamik. Der Zugang zu Leinwand und Acrylfarben förderte die Experimentierlust und erweiterte die Farbpalette. In nur 30 Jahren entwickelte sich eine Kunst, die ihre Tradition – das Herkommen aus Felsmalerei und- ritzungen - nicht verleugnet, sondern auf dieser Grundlage in höchst innovativer Weise unterschiedliche Stile hervorbringt.
Die einzelnen KünstlerInnen entwickeln ihre individuellen Stile; dennoch lassen sich regionale Gemeinsamkeiten erkennen: So finden wir im Norden Australiens u.a. einen figurativen Stil, während die Kunst Zentralaustraliens für ihre Punktmalerei bekannt ist, die eine Vielfalt des Ausdrucks bei reduzierter Farbpalette erlaubt.
Aller Kunst gemeinsam, also die verschiedenen Aborigine-Völker verbindend, ist der Bezug auf die Jukurrpa, ein Begriff aus der Sprache der Warlpiri, der eigentlich unübersetzbar, weil von umfassender Bedeutung ist (Übersetzungsversuche sind Dreaming oder Dreamtime, im Deutschen „Traumzeit“): Jukurrpa meint zunächst die Geschichte, von der das Bild erzählt. Dabei kann es sich um eine Schöpfungsgeschichte oder aber um die Weitergabe des Wissens um Nahrung oder Medizin handeln. Es kann um die Beschreibung des Landes gehen oder auch um eine Mitteilung, die Bedeutung bei der Bewahrung der Kultur und Geschichte besitzt. Jukurrpa umfasst aber weitaus mehr. Es ist eine Bezeichnung für das Weltbild der Aborigines.