Vorzugsausgaben Literatur

Vorzugsausgaben LiteraturHeinrich von Kleist – Michael Kohlhaas/Die Marquise von O.../Der Findling

Vorzugsausgabe

mit einer Orig.-Lithografie von Johannes Grützke, einer Orig.-Serigrafie und rückseitig Risografie von Anke Feuchtenberger und einem Orig.-Linolschnitt von Martin Grobecker. Auflage 200 Exemplare, Buch und Grafiken sind einzeln signiert und nummeriert (Buch von Grützke signaturgestempelt), Mitglieder-Ausgabe, in Leinen gebunden, die 3 Signaturen eingeprägt, 3 unterschiedlich breite Bauchbinden als abgestufter Schutzumschlag, im handgefertigten Schuber, Grafikmäppchen. Verlagsfrisch!

Preis: 280

zzgl. Versandkosten

Orig.-Serigrafie Anke Feuchtenberger zu Die Marquise von O.
Orig.-Serigrafie Anke Feuchtenberger zu Die Marquise von O.
rückseitig Orig.-Risografie
rückseitig Orig.-Risografie
Orig.-Linolschnitt Martin Grobecker zu Der Findling
Orig.-Linolschnitt Martin Grobecker zu Der Findling
Orig.-Lithografie Johannes Grützke zu Michael Kohlhaas
Orig.-Lithografie Johannes Grützke zu Michael Kohlhaas

21,5 x 14,5 cm, 256 Seiten, in geprägtes Leinen gebunden, das von drei unterschiedlich großen Buchbinden zu dreiviertel verdeckt wird wie durch drei abgestufte Schutzumschläge – für jeden Künstler ein eigener Umschlag. Wenn man diese entfernt, kommen die goldfarben ins Leinen geprägten Künstlersignaturen zum Vorschein. Der Text ist, um die schwarz-weißen Bildern herauszuheben, in einem kupferfarbenen Ton gedruckt. Auf farblich abgesetzten Ausklappseiten hat jeder Künstler ein kurzes Statement zu seiner Arbeit am Buch abgegeben. Vorwort Wolfgang Grätz. Im Anhang biografische und editorische Notizen.

Dies ist ein Buch, das die Büchergilde sich selbst, das heißt ihren Mitgliedern, zur Feier ihres 90-jährigen Bestehens geschenkt hat. Es sollte zeigen und zeigt, wie moderne Buchkunst aussieht – anhand von drei Künstlerhandschriften aus drei Generationen, die Texte eines klassischen Autors qua zeitgemäßer zeichnerischer Interpretationen ins Heute holen. Jeder Künstler hat dem von ihm interpretierten Text ein kurzes Statement zu den eigenen Intentionen vorangestellt.

Das Buch ist handlich, ein Gebrauchsbuch, nicht nur für die Preziosen-Abteilung des Bücherschranks, sondern in erster Linie zum Lesen. Es ist in geprägtes Leinen gebunden, das von drei unterschiedlich hohen Buchbinden zu drei Vierteln verdeckt wird wie durch drei abgestufte Schutzumschläge – für jeden Künstler ein eigener Umschlag. Wenn man diese entfernt, kommen die goldfarben ins Leinen geprägten Künstlersignaturen zum Vorschein. Der Text ist, um die schwarz-weißen Bilder herauszuheben, in einem kupferfarbenen Ton gedruckt.

Michael Kohlhaas von Heinrich v. Kleist gehört – neben Lessings Nathan der Weise und Goethes Faust – zu den absolut unentbehrlichen Beiträgen der deutschen Literatur zur Debatte um das Wesen des Menschen: Der Kampf um Gerechtigkeit, dessen Berechtigung jeder einsieht, und dessen durch Maßlosigkeit bedingtes Umschlagen in neues Unrecht ist heute so aktuell wie 1532, als der historische Hans Kohlhase wegen zweier zu Unrecht beschlagnahmter Pferde halb Wittenberg anzündete oder 1810, als die Kleist‘sche Novelle erschien.

Dass es dabei dann gar nicht mehr um den tatsächlich erlittenen materiellen Schaden geht, sondern um das Gefühl der Kränkung, dass sich nämlich andere anmaßen, das eigene Schicksal mit Füßen zu traktieren, das lässt sich zu allen Zeiten im Leben einzelner Menschen ebenso wie bei ganzen Nationen und Religionsgemeinschaften vorfinden. So ist dieses Buch ein kluges Plädoyer für den Respekt vor jedwedem Individuum, auch als beste Prävention vor menschlichen und gesellschaftlichen Katastrophen.

Johannes Grützke, der eine große Anzahl kleiner Bleistiftzeichnungen zum Buch geschaffen hat, legte Wert auf die Feststellung, dass es sich bei diesen Arbeiten keineswegs um Illustrationen handelt – sondern um Ergebnisse seiner individuellen Ergriffenheit von Kleists Stoff. Er hatte schin vor deisem Illustrationsauftrag diesen Text schon lange im Auge. Grützke, 1937 in Berlin geboren und 2017 verstorben, gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Als Maler, Bühnenbildner und Grafiker ist er selbst ein Klassiker.

Auch die Novelle „Die Marquise von O...“ handelt vom Umgang mit erlittenem Unrecht, in diesem Fall innerhalb der Familie. In Kriegswirren wird eine junge Frau von ihrem vermeintlichen Retter vor soldatischen Übergriffen vergewaltigt, eine Ohnmacht erspart ihr das Miterleben. Daher wird sie von der anschließenden Schwangerschaft selbst überrascht. Per Zeitungsannonce sucht sie den Kindsvater, während ihr eigener Vater sie verstößt.

Für die visuelle Interpretation dieses Textes wollte die Büchergilde unbedingt Anke Feuchtenberger haben – aber die Kleistliebhaberin hegte Zweifel an der Notwendigkeit, eine Erzählung, die vom Verschweigen handelt, zu bebildern. Sie hätte lieber die Dramen illustriert. Dass sich die Künstlerin letztendlich trotzdem den Text anverwandelte, und wie grandios, das bestätigt Grützkes These von der Berührtheit des Künstlers: Anke Feuchtenberger geht eben nicht affirmativ, dienend mit der Geschichte um, sondern begibt sich in eine intensive Auseinandersetzung. Dies zeigt schon allein die Größe der im Buch auf 21 x 27 cm (aufgeschlagene Doppelseite) abgebildeten Original-Kohlezeichnungen der Künstlerin: Sie messen 59 x 83,5 cm!

Feuchtenberger wurde 1963 in Ost-Berlin geboren. Von 1983 bis 1988 studierte sie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Kurz vor dem Fall der Mauer gründete sie mit Henning Wagenbreth, Holger Fickelscherer und BECK die Berliner Künstlergruppe „PGH Glühende Zukunft“, deren Künstler die Einflüsse des Expressionismus und der Bildsprache des Comics zusammenführten. Seit 1997 ist sie Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, wo sie vor allem auf junge Künstlerinnen stilbildend wirkt.

Die dritte Novelle, „Der Findling“, handelt – vom Umgang mit erlittenem Unrecht. Ein Kaufmann, der seinen Sohn an die Pest verloren hat, nimmt einen Waisenknaben an dessen statt an, dem er nach und nach sein ganzes Vermögen überschreibt. Der Ziehsohn lohnt es ihm schlecht und vergeht sich an seiner Stiefmutter, die an den Folgen stirbt. Daraufhin erwürgt ihn der Kaufmann und lehnt auf dem Schafott die Absolution ab, ohne die er nicht zu Gott kommen kann, weil er den Übeltäter auch in der Hölle weiterverfolgen will.

Martin Grobecker schuf seine Arbeiten zum „Findling“ mit dem Kalligrafie-Stift.


Wolfgang Grätz, 193. Frankfurter Grafikbrief November 2014