Rotkäppchen gehört zu den bekanntesten Märchen des europäischen Kulturgutes, und obwohl es viele Wandlungen durchgemacht und sich immer seiner Zuhörerschaft angepasst hat, ist es nach wie vor eines der beliebtesten Märchen geblieben. Lange Zeit war es ein viel und gern genutztes Lehrstück mit einer drastischen Moral, das in der Erziehung kleiner Mädchen eine wichtige Rolle spielte.
Also, irgendwelche Fragen erübrigen sich, „Rotkäppchen” kennt ja jeder. Irrtum! Einzelne Motive der uns heute bekannten Fassung sind tief in der Literaturgeschichte verwurzelt. In der Spruch- und Erzählsammlung „Fecunda ratis“, die Egbert von Lüttich um 1023 verfasste, findet sich die Geschichte eines kleinen Mädchens, das in Gesellschaft von Wölfen aufgefunden wird und ein rotes Kleidungsstück (ein Käppchen?) besitzt….
„Fürchte dich nicht, das Gute gewinnt!“ So endet das tradierte Märchen der Gebrüder Grimm, mit dem wir alle groß geworden sind. Dass das sich nicht immer erfüllt, beschreiben diverse Autoren, herausgefordert durch jene, durchaus reizvolle Kehrseite und die unausgesprochenen psychologischen Hintergründe.
Besonders im 20. Jh. wurde Rotkäppchen zunehmend witziger, aufsässiger und auch realistischer umgesetzt, z.B. als Satire, eine die traditionelle Kindererziehung hinterfragende Variante.
So gibt es die erotische Version, satirische oder absurde, da wird der Wolf nicht mehr als böser Charakter geschildert, sondern als missverstandene Figur; oder die Großmutter, die durchaus mit scharfen Zähnen zupackt. Und das Kind Rotkäppchen mutiert vom naiven, unschuldigen Kind in eine eigenständige, herausfordernde Göre und gar furchtlose Nervensäge.
Svato Zapletal