Wozu eigentlich Pressendrucke?
Nur Verrückte machen Bücher von Hand!
Als ich vor einigen Jahren vom Buchkunstverleger Dr. Thomas Müth gebeten wurde, im Rahmenprogramm der Leipziger Buchmesse eine Rede auf seine gerade erschienenen Pressendrucke mit dem Andersen-Märchen "Die Nachtigall" zu halten, bereitete ich mich auf eine Ansprache an Insider vor – bis ich am Abend vorher erfuhr, dass die Buchvorstellung im Rahmen einer gänzlich andersthematischen Lesung stattfinden würde.
Mir wurde schlagartig klar, dass mich dieser Teil des Publikums für komplett verrückt erklären müsste, wenn ich ohne Weiteres über ein Märchenbuch sprechen würde, das in nur 15 Exemplaren existiert und 590 Euro kostet.
So entwarf ich eine kurze Geschichte des Buches, von den in Klöstern von Hand geschriebenen und bemalten Unikaten über die in Holz geschnittenen und auf Weinpressen gedruckten ersten „Multiples“ bis zu Gutenbergs „beweglichen Lettern“, erst in Holz und dann in Blei.
Ende des 19. Jahrhunderts war das Buch industrielles Massenprodukt geworden, einerseits eine Demokratisierung, weil zumindest für bürgerliche Kreise erschwinglich, die andererseits mit einem Verlust an Buchästhetik und -qualität teuer erkauft wurde. In dieser Situation entstand zwischen 1890 und 1930 die Buchkunstbewegung, deren Ziel die künstlerische Gesamtgestaltung des Buches war, das Streben nach perfekter Harmonie von Text, Schriftart, Illustration, Papier, Druck und Bucheinband. Es entstanden private Druckpressen, um eine hohe Buchkultur zu bewahren. Gründer waren oft Drucker oder Künstler, aber auch so illustre Leute wie der Großherzog von Hessen, Ernst Ludwig, oder Harry Graf Kessler, dessen Cranach Presse die wohl bis heute werthaltigsten Bücher hervorbrachte.
Dem inneren Auftrag dieser Generation folgen bis heute zahlreiche Künstler und Pressendrucker und sorgen so dafür, dass der Maßstab erhalten bleibt, an dem sich alle Buchproduktion relativ zu messen hat: Das handgefertigte Buch ist die tiefste Verneigung der Form vor dem Inhalt, die größtmögliche Würdigung eines Textes, der höchst-mögliche Respekt, den Literatur durch die Formgebung erfahren kann.
Neben der sorgsamen Auswahl der zum Inhalt passenden, angenehm lesbaren Schrift spielt die als Original gedruckte Illustration eine große Rolle – weswegen häufig Künstler als Pressendrucker tätig sind, die von ihnen selbst verehrte Texte durch ihr künstlerisches Zutun in den Fokus rücken wollen. Durch den Druck von den Originaldruckstöcken oder -platten gibt es keinerlei Verlust in dem, was der Nutzer des Buches vom Künstlerwillen in die Hand bekommt. Jede Reproduktion entzieht sich, teils durch technische Beschränkungen, teils durch den notwendigen Eingriff eines Dritten, der hundertprozentigen Wiedergabe des Originals. Eine Reproduktion ist immer ein Kompromiss zwischen Wollen und Realität.
Der Begriff Pressendruck bezieht sich darauf, dass alles von Hand auf der Presse gedruckt wird – nicht nur die Bilder, auch die Schrift. Hier ist inzwischen der Einzelbuchstabensatz zumeist dem Klischee gewichen, denn der Handsatz ist einerseits arbeitsintensiv – sprich: verteuert das Buch sehr, wird andererseits aber nicht mehr so wertgeschätzt wie früher, ausgelöst wohl durch die Gewöhnung an die große typoästhetische Beliebigkeit im Gefolge der leicht verfügbaren Schriftenvielfalt am PC.
Wir stellen Ihnen ja immer wieder einzelne Pressen vor, von den Drucken des Leipziger Bibliophilen- Abend, die an sich dessen Mitgliedern vorbehalten sind, über unsere eigene, die Gutenberg Presse, Sie finden weitere Bücher unter den Stichworten Eremiten-, Sisyphos-, Mariannen- und Pfaffenweiler Presse sowie die Zikaden Presse, burgart presse, Sonnenberg Presse, Donkey Press und Andante Handpresse.