Franziska Neubert

Weltklasse vor unserer eigenen Haustür!

Sie ist herausragend! Ihre Arbeiten gehören zum Besten, was die Geschichte des Original-Farbholzschnittes zu bieten hat. Als vor etlichen Jahren der FAZ-Redakteur Andreas Platthaus in einer Laudatio Franziska Neuberts künstlerische Entwicklung in eine Reihe mit der von Ernst Ludwig Kirchner, Lyonel Feininger oder Frans Masereel stellte, mag mancher noch gedacht haben, das sei vielleicht sehr hoch gegriffen. Inzwischen kann man aber tatsächlich ein künstlerisches Werk bewundern, das in seiner Entschiedenheit, Vielfalt und Eindringlichkeit einfach beeindruckend ist.

Warum, werden Sie sich vielleicht fragen, findet sich denn dann der Name von Franziska Neubert nicht z.B. auf der Liste der 10 höchstbewerteten Künstler der Gegenwart in „Capital“ oder „Handelsblatt“? Darauf gibt es zwei Antworten: erstens: weiblich; zweitens (und das ist vielleicht eine Folge von erstens): zu viel Zeit am Druckstock statt am Lautsprecher mit der Endlosschleife „Ich bin die Größte“.

Auf dem derzeitigen Kunstmarkt kann man mit einem von Druckgrafik geprägten Werk nicht wirklich weltberühmt werden. Wenn man sich und die eigene Preisgestaltung als Künstlerin ernst nimmt, kommt man nie auch nur in die Nähe jener hauptsächlich von Spekulationserwartung getriebenen Preisregionen, die das große Rad von international tätigen Galerien, internationalen Kunstmessen und Hochglanzmagazinen in Gang setzen. Aber als Künstlerin kann man es sich eben nicht auswählen, welches Medium sich die eigene Schaffenslust sucht. Und das laute Rausbrüllen der eigenen Großartigkeit ist für eine sensible Künstlerseele wohl eher eine Höllenqual und auf der weiblichen Seite der Kunstszene ohnehin selten zu finden. 

Merkwürdig, dass ausgerechnet im in dieser Hinsicht ausgesprochen traditionsreichen Deutschland mit seinen Druckgrafik-Heroen von Dix bis Dürer der Druckgrafik solch geringe Wertschätzung entgegengebracht wird, die bis weit ins Feuilleton hineinrecht, wo man schon mal von „Vervielfältigungen“ liest, in Abgrenzung zu denen dann die Begriffe „Original“ (das sind natürlich eigenständige Druckgrafiken auch immer) und „Unikat“ synonym verwendet werden. Und das in einer Zeit, in der Deutschland über eine geradezu goldene Generation von in der Druckgrafik tätigen relativ jungen Künstlerinnen verfügt, für die pars pro toto neben Franziska Neubert Namen wie Uta Zaumseil, Petra Schuppenhauer, Susanne Theumer und Claudia Berg stehen mögen.

Eine Kunstszene ohne die völlig eigene Bildsprache der Druckgrafik ist unvorstellbar arm. Der Holzschnitt z.B. vermittelt durch die unverkennbaren Zeichen seiner Herkunft vom Holz, selbst wenn man keine Spuren der Maserung sieht, ein Gefühl von Wärme und Materialauthentizität. Franziska Neubert arbeitet mit dieser Aura selbst bei Buchillustrationen, was natürlich eine Herkulesarbeit (gibt’s da eigentlich ein weibliches Pendant?) bedeutet. 

Franziska Neuberts Bilderfindungen decken ein weites Spektrum künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten ab: Der Gegenstand bleibt immer Ausgangspunkt der Bildidee, ist aber oft so weit reduziert, dass die natürliche Abstraktionsanmutung z.B. von Landschaft deutlich wird. Dann wieder arbeitet sie in unfassbarer Detail-Tiefe und oft einem Dutzend Druckvorgängen die Vielfalt des täglichen Lebens aus den Druckstöcken. 

Zum Ermöglichen dieses künstlerischen Werks braucht es viel mehr als das, was Maler auf die Matte (mit)bringen müssen: Neben der künstlerischen Idee und den meisterhaften Fertigkeiten im druckgrafischen Handwerk, wozu die hohe Abstraktionsfähigkeit beim Holzschnitt in der verlorenen Form kommen muss – hier wird das zuerst aus der Platte geschnitten, was der Maler ganz zum Schluss obendrauf setzt, das Weiß –, braucht es eine Energie und Zähigkeit, ohne die ein solch gigantisches druckgrafisches Werk wie das von Franziska Neubert nicht entstehen kann. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung in jeder dieser vielen Hinsichten.

Franziska Neubert wurde 1977 in Leipzig geboren, erhielt schon 1995 den Jugendkunstpreis der Stadt Leipzig und studierte von 1996 bis 2002 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig u.a. bei Volker Pfüller. Nach ihrem Diplom im Jahr 2002 erhielt sie ein einjähriges Stipendium des DAAD und studierte an der Ecole Nationale des Arts Décoratifs Paris. 2005 bis 2007 war sie als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung Meisterschülerin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Thomas M. Müller. 

2007 wurde ihr Künstlerbuch „Warten“ von der Stiftung Buchkunst als eines der 50 schönsten Bücher ausgezeichnet, 22 Positionen verzeichnet die Liste ihrer Auszeichnungen, darunter der Hans-Meid-Förderpreis. Ausstellungen von ihr waren nicht nur in allen Teilen Deutschlands zu sehen, sondern auch in Japan, Korea, Frankreich, der Schweiz und Italien. Das Printing-Museum (Tokio/Japan), die Hans-Meid-Stiftung, das Itabashi-Art-Museum (Japan), die Washingtoner Dependance der Heinrich-Böll-Stiftung, das Stadtmuseum Borken und andere öffentliche Sammlungen haben Arbeiten von Franziska Neubert für ihre Sammlungen angekauft.

Franziska Neubert, die auch Mutter zweier Kinder ist, lebt als freischaffende Künstlerin in Leipzig.