burgart-presse
Die burgart presse Rudolstadt
Man schaut auf die perfekten Künstlerbücher der burgart presse und nimmt sie wie selbstverständlich, aber wie kam es denn dazu, dass ein gewisser Jens Henkel in der thüringischen – pardon – Kleinstadt Rudolstadt (25.000 Einwohner) 1990 einen der bedeutendsten Pressendruck-Verlage des jungen Gesamtdeutschland gründete und 30 Jahre lang eine bibliophile Kostbarkeit nach der anderen vorlegte, daneben Werkverzeichnisse und Monografien? Dem es zudem gelingen konnte, Autor/inn/en wie Walter Jens und Christa Wolf, Friederike Mayröcker und Adolf Endler für Klein(auflagen)-Editionen mit überschaubarem Honorar-Ertrag zu gewinnen.
Henkel, Jahrgang 1953, ist von Haus aus akademisch ausgebildeter Museologe – ein Studiengang, den es nur in der DDR gab, und man muss kein Prinz sein, um zu konstatieren: Es war nicht alles schlecht –, und Historiker, und arbeitete als solcher neben seiner Verlegertätigkeit immer auch im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg in Rudolstadt.
Er war in der DDR ein interessierter Sammler von Drucken der alternativen Kunst- und Literaturszene, die zwar von der Stasi akribisch überwacht wurde, aber ihre oft original-grafischen Hefte und Bücher bei Auflagen unter 100 Exemplaren ohne Druckgenehmigung produzieren durfte. Bald entstand in Henkel der Wunsch, auch selbst wider den Stachel zu löcken und Widerständiges als Ausdruck des eigenen Lebensgefühls zu publizieren.
Da er die eigenen bildnerischen wie poetischen Fähigkeiten als nicht genügend einschätzte, wurde er zum Ideenproduzent, Anreger und Organisator. Bücher wie „Türen“ von Jörg Kowalski mit Grafiken von Steffen Volmer, dessen Türen keine Klinken aufwiesen, erschienen unter dem Dach der Bibliophilen-Vereinigung Pirckheimer-Gesellschaft oder der Karl-Marx-Städter Galerie Oben, die erfolgreich Abstand zu staatlichen Institutionen hielt und in der auch Klaus Süß groß wurde, von dem später sechs Pressendrucke in der burgart presse erscheinen sollten.
Nach der offiziellen Verlagsgründung 1990 fiel die Motivation „Widerständigkeit“ weg, und es begann die Herausforderung „Markt“. Was einen Verleger neben den oben schon genannten Fähigkeiten auszeichnen sollte, ist: der Besitz von Kapital. Denn es erleichtert das Verlegerleben erheblich, wenn zumindest einer der Arbeitsgänge der Pressendruck-Herstellung – Druck, Buchbindung usw. – in Selbstausbeutung erfolgen kann.
Jens Henkel musste alles, inklusive der Autoren- und Künstlerhonorare, vorfinanzieren. Als 37-jähriger Verlagsgründer mit DDR-Hintergrund hatte er keine prallen Geldsäcke im Keller, aber eine mit Umsicht, Sachverstand und Leidenschaft zusammengetragene einzigartige Sammlung von DDR-Samisdat-Schriften. Die riss er sich vom Herzen, um sich den anderen Herzenswunsch – die Produktion von Buchkostbarkeiten – zu erfüllen. Der Rest ist Buchkunstgeschichte, und leider sehe ich weit und breit noch niemanden, der Jens Henkels Fackel weiterträgt.