Ingrid Jörg und die Berliner Handpresse
Findet man in Antiquariaten Bücher der 1961 gegründete Berliner Handpresse, so sind dies vornehmlich Pressendrucke, die von den beiden Gründern Wolfgang Jörg (1934 bis 2009) und Erich Schöning (1935 bis 1989) mit farbigen Original-Linolschnitten illustriert waren.
Arbeiten der Dritten im Bunde, Ingrid Jörg, fanden sich allenfalls in den Büchern, die nach dem frühen Tod von Schönig von Wolfgang Jörg, Klaus Ensikat und eben Ingrid Jörg mit Orig.-Farblinolschnitten ausgestattet worden waren. Dies, obwohl es 17 eigenständige Drucke von Ingrid Jörg gibt – aber die waren und sind schwer zu bekommen! Denn im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, deren Gemeinschaftswerke meist eine Auflage von 300 Exemplaren hatte, druckte sie immer höchstens 100 Exemplare, was bei z.B. acht Farblinolschnitten pro Buch a 6 Farben gewaltige 4800 Handdruck-Vorgänge je Buchauflage ausmachte. (Original-Ton Ingrid Jörg: „Wochenende kannten wir eigentlich nicht, wir haben halt immer gedruckt. Naja, was hätten wir auch sonst machen sollen?“)
Ihre Bücher stießen auf großes Interesse und die 100 Exemplare waren praktisch immer gleich durch die festen Abonnenten vergriffen, kleine Restauflagen und Einzelstücke wurden nicht mehr extra groß beworben. So gelangten die meisten Bücher von Ingrid Jörg gar nicht erst in den freien Handel, und so ist das auch geblieben. Heute bewegen sich im Antiquariat die Preise für gut erhaltene Stücke um die 400 Euro. Sie ist zusammen mit Elfriede Weidenhaus die bedeutendste Pressendruckerin ihrer Generation.
Ingrid Jörg wurde 1935 im brandenburgischen Gransee geboren. 1954 ging sie in das damals noch offene Westberlin, um an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) zu studieren. Als sie 1957 mit einer Freundin auf Ibiza Urlaub machte (ein durch Trampen, Busfahrt nach Barcelona und Schiff erschwingliches Vergnügen), guckte ihr ein junger Mann in den Suppenteller – es war der ebenfalls an der HfBK, wenn auch an anderer Lernstätte, studierende Wolfgang Jörg. Aus der Urlaubsbekanntschaft wurde eine lebenslange Partnerschaft in Familie und Kunst, die durch die gemeinsame Arbeit in der Berliner Handpresse nun Teil der Kunstgeschichte ist.
Der 7. Druck der Berliner Handpresse 1965 war der erste von Ingrid Jörg, wie praktisch alle Berliner Handpressendrucke auch eine literarische Erstausgabe. 6 der 17 Bücher von Ingrid Jörg hat die in Hameln geborene Schriftstellerin Felicitas Hoppe verfasst, einige sind später auch als reproduzierte Verlagsausgaben in hoher Auflage erschienen. Ingrid Jörgs Bücher wurden mehrfach im Wettbewerb der Schönsten der Bücher der Welt ausgezeichnet.
Ingrid Jörg ist als Pressendruckerin und Schöpferin wunderbarer Farblinolschnitte bekannt, aber zu ihrem Lebenswerk gehörte und gehört immer auch die Malerei, sie bevorzugt das große Format und kann auf ein bemerkenswertes Oeuvre blicken.