Der documenta-Teilnehmer Bernhard Jäger schuf zusammen mit dem genialen Schriftsetzer Manfred Schulz ein Figurenensemble, das komplett aus Bleisatz-Versatzstücken komponiert war. Wenn man weiß, dass das Bleisatzschiffchen d.h. der Rahmen, in dem eine Textseite aus Bleiletter-Zeilen gesetzt wird, zu 100 % auf rechten Winkeln basiert, wird einem angesichts der schrägen, teilweise tanzenden Figuren und Lettern geradezu schwindelig – Schrägen müssen durch Hunderte kleiner Bleiteile fixiert werden, damit sie beim Druck nicht verrutschen. Ein absolut einmaliges Buchkunstwerk, das heute wohl nicht mehr zu realisieren wäre: Schriftsetzer wie der leider verstorbene Manfred Schulz, der 2005 mit der Arbeit an diesem Werk begonnen hatte, sind nicht mehr aktiv.
Man muss es klar sagen: Die von Menschen mühselig erworbene und dem Nachwuchs weiter vermittelte Meisterschaft im Umgang mit Bleilettern, Grundlage aller Aufklärung seit der Reformation, verliert sich, so wie man davon ausgeht, dass im alten Ägypten die Priesterschaft über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, die mit dem Untergang von deren Kultur der Menschheit verloren gingen. Heute leben in Deutschland vielleicht höchstens noch 5 bis 10 meist hochbetagte Schriftsetzer, die das könnten, was Manfred Schulz konnte. Aber es wird auch niemand mehr diese Fähigkeiten abfragen, denn: Am Computer ließe sich das Ganze im Nu nachbilden. Warum dann…? „Zu wissen, es ist Platin!“ Hier ist alles materiell echt.